28. Jan 2024, Mirco Clapier (Chefredaktion)
Die Kehrseite der Klima-Wende: Der Lithiumabbau im Südamerika zerstört die Umwelt und bedroht indigene Völker, während der Fortschritt ironisch gefeiert wird.
Im Herzen Südamerikas, im Dreiländereck von Bolivien, Chile und Argentinien, liegt das sogenannte "Lithiumdreieck", ein Ort, der 70 Prozent der weltweiten Lithiumvorkommen birgt. Dieser Rohstoff, unerlässlich für die Batterien von Elektroautos, ist zum Zentrum einer paradoxen Tragödie geworden. Während die Welt sich auf eine grüne Zukunft mit sauberer Energie zubewegt, bezahlt die indigene Bevölkerung einen hohen Preis. Ihre Heimat, die Salzwüsten der Puna auf 4.000 Metern Höhe, wird durch den rasant steigenden Lithiumabbau zerstört.
Die Kollas, ein indigenes Volk, das seit Jahrtausenden in dieser Region lebt, erleben einen tiefen Wandel. Wo einst 230 Lamas weideten, bleiben nur Tod und Krankheit zurück. Die große Maschinerie des Fortschritts, die ohne Rücksicht auf die Umwelt oder die lokalen Gemeinschaften Lithium fördert, hat das fragile Ökosystem zerstört. Wasserquellen sind kontaminiert, der Boden durchwühlt, und die Luft mit feinem Staub gefüllt, der möglicherweise giftiges Natriumhydroxid enthält.
Die Ironie ist beißend. Während in den wohlhabenden Metropolen der Welt die Menschen in ihren glänzenden Elektroautos durch saubere Straßen gleiten, glauben sie, die Umwelt zu retten. Doch der Preis dieser sauberen Energie ist versteckt, vergraben in den trockenen Ebenen der Puna, wo die Lamas sterben und das Wasser verschwindet.
Die Geschichte der Kollas, die ihre Lamas verlieren und mit ansehen müssen, wie ihre Heimat zerstört wird, ist nur ein Fußnotenkapitel in den glänzenden Prospekten der Elektroautohersteller. Aber ihre Stimmen sind nicht zu überhören, sie rufen aus der Ferne, ein Echo der vergessenen Wahrheit. Währenddessen brummt das Geschäft für die Bergbauunternehmen wie Orocobre und Toyota. Sie profitieren enorm von dem Boom – Orocobre allein meldete einen Halbjahresgewinn von 24 Millionen Dollar. Doch ihre Umweltberichte schweigen über die zerstörerischen Auswirkungen auf die Süßwasservorräte und die lokalen Gemeinschaften.
Die Ironie der Situation wird umso deutlicher, wenn der WDR Kinderchor mit "Meine Oma ist 'ne alte Umweltsau" einstimmt. Diese jungen Stimmen kritisieren nicht nur eine Werte-Generation für ihre eigene Heuchelei im Umweltschutz, sondern leugnen auch eine vergangene Ära, in der Sparsamkeit, Reparatur und Respekt vor der Natur alltägliche Werte waren. Sie verunglimpfen das Bild der klimafreundlichen Oma, in der es keine Handys gab und Fernseher langlebig waren, Kinder in der Natur spielten und nicht vor dem iPad verblödeten, und Lebensmittel im eigenen Garten angebaut wurden.
Der grüne Mantel der Energiewende verbirgt die Narben einer Landschaft, die geopfert wird, damit andere imaginär sauber leben können. Während sich die Welt selbst auf die Schulter klopft für ihre grünen Autos, bleiben die Kollas zurück, verloren in einem Kampf, den sie nicht gewählt haben. Sie fordert uns auf, die Komplexität der globalen Umweltkrise zu erkennen, die nicht nur technologische Lösungen erfordert, sondern auch ein grundlegendes Umdenken in unserem Lebensstil und unseren Werten.
In Argentinien gibt es keine Anzeichen für eine Trendwende in der Lithiumförderung. Trotz der Proteste der Kolla-Gemeinden und der drohenden irreversiblen Schäden an der Umwelt plant die Regierung, die Produktion in den nächsten vier Jahren massiv zu steigern. Die Kollas und andere indigene Gemeinschaften stehen vor einem juristischen Kampf, um ihre Rechte und ihre Heimat zu verteidigen.
Die E-Mobilität mit Lithium-Ionen-Batterien erweist sich weniger als echter Klimafortschritt, sondern vielmehr als moderner Ablasshandel, der Umweltschäden ignoriert. Sie erinnert uns daran, dass die Entscheidungen, die wir heute treffen, weitreichende Folgen haben, nicht nur für unsere Umwelt, sondern auch für die Menschen, deren Leben direkt von diesen Entscheidungen betroffen ist. Es ist Zeit, die grüne Maske des Fortschritts abzulegen und die wahren Kosten unserer "sauberen" Energie zu erkennen.
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